Wichtige Urteile zu Kfz-Gutachten, Kostenvoranschlag und Restwert

Wichtige Urteile rund um Gutachten, Kostenvoranschlag und Restwert auf einen Blick

Hier geben wir Ihnen einen Überblick über wichtige Urteile und Gerichtsentscheidungen in Bezug auf Kfz-Gutachter. Zu jedem Urteil finden Sie die Leitsätze und die offizielle Kurzzusammenfassung der Rechtsprechung.

Wir vervollständigen diese Liste laufend, wir erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenso ist diese Liste keine Rechtsberatung! Jeder Fall muss individuell betrachtet werden.
Für eine Einschätzung Ihres Falls oder weitere Fragen sollten Sie sich in jedem Fall an einen Anwalt wenden.

Weitere wichtige Urteile

Urteile zu Gutachten, Kostenvoranschlag und Restwert

Muss der Sachverständige auch überregionale Angebote von Restwerthändlern bei der Ermittlung des Restwerts einholen?

Urteil: BGH VI ZR 205/08; BGH VI ZR 318/08
Datum: 13.01.2009; 13.10.2009
Mit diesem Urteil beschloss der BGH, dass der Sachverständige bei der Ermittlung des Restwerts eines beschädigten Autos nur solche Verkaufsmöglichkeiten zu berücksichtigen hat, welche auch vom Eigentümer des Autos in zumutbarer Weise wahrgenommen werden können. Er ist nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Hat der Sachverständige drei regionale Angebote ermittelt, genügt dies für die Ermittlung des Restwerts, wenn diese konkret im Gutachten benannt werden.

Leitsatz:
„Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung beauftragte Sachverständige hat bei der Ermittlung des Fahrzeugrestwerts grundsätzlich nur solche Angebote einzubeziehen, die auch sein Auftraggeber berücksichtigen müsste.“

Welche Stundenverrechnungssätze gelten bei der Schadensberechnung?

Urteil: BGH, VI ZR 398/02
Datum: 29.4.2003
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Grundsatzurteil entschieden, dass für die Reparaturkostenberechnung die – teils oft hohen – Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt angesetzt werden dürfen.

Leitsatz:
Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf bei der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.

Wann kann vom Geschädigten ein Gutachter bestellt werden?

Urteil: BGH, VI 365/03
Datum: 30.11.2004
Ein Gutachter darf immer dann vom Geschädigten bestellt werden, wenn dieser es für notwendig und geboten hält, um den Schaden überhaupt abschätzen zu können. Allerdings wird dem Richter auch ein eigenes Ermessen eingeräumt, ob nicht auch eine kostengünstigere Schätzung ausgereicht hätte (hierzu siehe Zitat 2 unten).

Zitat 1:
“Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen [Anm. der Red.: “Schadens-“] Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte.”

Zitat 2:
“Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist […] nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten.”

Muss sich der Geschädigte nach kostengünstigen Gutachten erkundigen?

Urteil: AG Frankfurt a.M., Az. 31 C 120/13
Datum: 25.07.2013
Das AG Frankfurt verneint eine Erkundungspflicht des Geschädigten (auch: BGH VI ZR 67/06), sofern dies zur Wiederherstellung erforderlich ist. Erforderlichkeit liegt vor, wenn die Kosten für das Gutachten, die sich üblicherweise aus den Honorarumfragen ergeben, auch für den Laien erkennbar überstiegen werden.

Leitsatz:
„Für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, dass weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, sofern der Geschädigte jedenfalls den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt.“

Muss der Schädiger die Kosten eines Kostenvoranschlags übernehmen?

Urteil: AG Böblingen, Az. 2 C 2391/13
Datum: 28.01.2014
Das AG Böblingen bejaht dies. Er muss dies auch bei einem Streitwert von 70 Euro, da der Geschädigte durch einen Kostenvoranschlag seiner Schadensminderungspflicht nachkommt und die Aufwendungen zur Schadensfeststellung gering hält. Der Laie weiß außerdem oft nicht, ob der Schaden über oder unter der Bagatellgrenze (700 €) liegt. Der Geschädigte muss sich auch nicht auf einen “kostenlosen” Kostenvoranschlag einer Werkstatt durch den Versicherer verweisen lassen.

Leitsatz:
„Nach der Überzeugung des Gerichts dürfte der Kläger auch einen Kostenvoranschlag einholen. Die Kosten für den Kostenvoranschlag sind als Aufwand der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als erforderlich und erstattungsfähig gem. §249 II 1 BGB anzusehen.“

Muss der Geschädigte sich informieren, ob der Sachverständige kostengünstig arbeitet?

Urteil: LG Oldenburg, Az. 5 S 443/12
Datum: 07.11.2012
Das LG Oldenburg beschließt, dass der Geschädigte keine Erkundungspflicht nach kostengünstigeren Gutachten hat. Die Kosten müssen von dem Schädiger übernommen werden, wenn der Sachverständige sich an die Werte der BSVK‑Honorarbefragung hält.

Leitsatz:
„Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.“

Welche Betrachtung ist für die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Sachverständigenkosten maßgeblich?

Urteil: LG Bochum, I-5 S 135/12
Datum: 19.04.2013
Maßgeblich für die Erstattungsfähigkeit, so das LG Bochum, ist die schadensrechtliche Betrachtung. Der Schädiger muss die Kosten des Sachverständigen – als Kosten der Schadensermittlung – erstatten, da diese Kosten unmittelbar mit dem Schaden verbunden sind.

Leitsatz:
„Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines nach einem Verkehrsunfall eingeholten Sachverständigengutachtens ist – im Verhältnis zum Schädiger – eine rein schadensrechtliche Betrachtung maßgeblich; hiervon zu unterscheiden ist der werkvertragliche Anspruch des Sachverständigen im Verhältnis zu seinem Auftraggeber.“

Was passiert, wenn der Geschädigte einen höheren Betrag als den vom Sachverständigen geschätzten Restwert erzielt?

Urteil: BGH VI ZR 232/09
Datum: 15.06.2010
Der BGH macht deutlich, dass der Geschädigte, wenn der tatsächlich erzielte Restwert den geschätzten Restwert übersteigt, dem Schädiger die Differenz zurückzahlen muss, wenn der Geschädigte dies ohne besondere Anstrengungen erzielt hat, z.B. im Internet.

Leitsatz:
„Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte, was zur Beweislast des Schädigers steht, für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt. In diesem Fall hat er durch die Verwertung seines Fahrzeugs in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden ausgeglichen. Da nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht „verdienen“ soll, kann ihn der Schädiger an dem tatsächlich erzielten Erlös festhalten.“

Wie bestimmt sich die Restwerthöhe eines Unfallautos?

Urteil: BGH VI ZR 316/09
Datum: 01.06.2010
Die Restwerthöhe bestimmt sich nach dem BGH auf Grund eines Sachverständigengutachtens, welches den Wert auf dem allgemeinen regionalen Wert korrekt ermittelt. Egal sind Sondermärkte im Internet, wo der Geschädigte sein Auto für einen höheren Restwert verkaufen könnte, da der Geschädigte sonst seine Ersetzungsbefugnis verliert.

Leitsatz:
„Der Geschädigte leistet dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.“

Welchen Betrag muss sich der Kläger als Restwert anrechnen lassen?

Urteil: BGH VI ZR 132/04
Datum: 12.07.2005
Mit diesem Urteil stellt der BGH klar, dass sich der Kläger den Restwert anrechnen lassen muss, den der Geschädigte durch den Verkauf seines Fahrzeugs realisiert, wenn dieser Wert nach Einschätzung eines Sachverständigers dem allgemeinen regionalen Wert entspricht. Ist er der Meinung, dass dieser Restwert zu gering ist und der Geschädigte einen höheren erzielen hätte können, muss er dies auch beweisen. Ein Gutachten kann eine geeignete Grundlage für die Bestimmung des Restwerts sein, jedoch nicht, wenn es auf Basis der Preise in Internetbörsen ermittelt wurde und nicht auf den zugänglichen allgemeinen regionalen Werten.

Leitsatz:
„Ein Geschädigter ist allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04 – aaO) und kann vom Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte. […] Vielmehr kann der Geschädigte, der wie im Streitfall nicht einen fiktiven Restwert abrechnet, sondern denjenigen, den er durch den Verkauf des Fahrzeugs tatsächlich realisiert hat, seiner Schadensberechnung grundsätzlich den erzielten Restwertbetrag zu Grunde legen“

Muss der Schädiger die Kosten eines Kostenvoranschlags eines Sachverständigen erstatten?

Urteil: AG Magdeburg, Az. 163 C 2534/11
Datum: 04.09.2012
Das AG Magdeburg stellt klar, dass der Schädiger dies erstatten muss, auch bei einem Bagatellschaden, denn ein Laie kann die Höhe des Schadens erfahrungsgemäß nicht einschätzen. Der Geschädigte muss nicht den Kostenvoranschlag bei einer Fachwerkstatt erstellen lassen, da auch hier meistens die Kostenvorschläge nicht kostenfrei sind.

Leitsatz:
„Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die Erstellung des Kostenvoranschlags zur Ermittlung der voraussichtlichen Reparaturkosten des Geschädigten. […] Darüber hinaus ist der Anspruch auch nicht etwa auf Grund der Unterschreitung etwaiger Bagatellgrenzen ausgeschlossen.“

Wie hoch ist die Bagatellschadensgrenze laut Rechtsprechung?

Urteil: BGH, VI 365/03
Datum: 30.11.2004
Der BGH hat die Bagatellschadensgrenze in einem Urteil von 2003 beinahe schon beiläufig mit 715,81 € (entsprechend 1400 DM) beschrieben. 2012 wurde diese Grenze vom AG Magdeburg angezweifelt – dieses sah die Grenze schon bei einem Betrag von 568,75 € erreicht – allerdings nicht weiter verfolgt. Allgemein bleibt die Bagatellschadensgrenze damit nach höchstrichterlicher Sprechung bei 715,81 €.

Zitat:
“Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beauftragung eines Sachverständigen sei erforderlich gewesen, weil der Schaden im Streitfall mehr als 1.400 DM (715,81 €) betragen habe und es sich deshalb nicht um einen Bagatellschaden gehandelt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.”